BZ (29.11.)
DFL ermittelt: Hertha-Jubel aus der Dose!
VERBOTEN: Über die Lautsprecher wurde künstliche Stimmung erzeugt...
BERLIN - 0:2 stand's gegen Gladbach, jede Menge vergebene Torchancen, die Stimmung auf dem Gefrierpunkt - da griff Hertha in die Trickkiste. Mit Stimmung aus der (Steck-)Dose wurde das Team nach vorne gepeitscht...
Die künstliche Hertha-Stimmung! Sie kam zustande, weil plötzlich die Stadion-Lautsprecher eingeschaltet wurden. Aus zuvor kaum hörbaren Anfeuerungsrufen wurde ein Fan-Orkan - verstärkt mit 150 000 Watt. "Mir ist darüber nichts bekannt. Allerdings ist das auch nicht mein Bereich. Für die Durchführung von Heimspielen sind die Herren Schiller und Herrich zuständig", sagt Manager Dieter Hoeneß. B.Z. fragte Geschäftsstellenleiter Tom Herrich: "Die zuständige Stadionregie weiß auch nicht, wie das passieren konnte, es war auf jeden Fall nicht beabsichtigt. Bei uns werden die Lautsprecher eigentlich immer nur beim Warmmachen hochgeschaltet." Hört sich nach einem technischen Problem an. Das allerdings die komplette zweite Halbzeit nicht behoben wurde... B.Z. fragte bei DFL nach. Erlaubt ist eine Beschallung aus der Dose nicht!
In der DFL-Satzung steht bei der Stadionbeschallung unter Paragraph 1, Ziffer 8:
Die Stadionbeschallung darf vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeitpause uneingeschränkt zum Einsatz gebracht werden. Während des laufenden Spiels darf sie ausschließlich zum Zweck der Bekanntgabe wesentlicher spielbezogener Informationen für die Stadionbesucher, z.B. Ein- und Auswechslungen, genutzt werden. Ausgenommen davon sind Spielunterbrechungen nach Torerfolgen, bei welchen auch kurze Unterhaltungselemente, z.B. Musikeinspielungen, möglich sind. "Da steht ganz deutlich, daß es nicht erlaubt ist, die Stadionbeschallung während des Spiels einzuschalten", sagt DFL-Pressesprecher Christian Pfennig. "Wir sind mit Hertha schon in Kontakt, um zu hören, was da passiert ist!"
Berliner Zeitung:
O-Ton: Wenn der Gesang aus den Boxen kommt
Schalkes Fansprecher Rojek über die Akustik bei Hertha
Herr Rojek, bei Herthas Spiel gegen Mönchengladbach wurden am Sonntag die Fangesänge im Olympiastadion über Lautsprecher verstärkt. Als Chef des Schalker Fanklubverbands kennen Sie sich mit Stimmungsmache im Stadion gut aus. Wie finden Sie Herthas Aktion?
Das ist peinlich.
Sonst fällt Ihnen dazu nichts ein?
Ich bin verwöhnt. In unserer Donnerhalle herrscht ein Lärm wie beim Start eines Düsenflugzeugs. Da kann ich andere nur bedauern.
Wen bemitleiden Sie genau?
Die wahren Hertha-Fans. Dass ihr Klub so etwas tut, um künstliche Stimmung zu produzieren. An deren Stelle würde ich mich beschweren. Demnächst lässt Manager Hoeneß vielleicht noch eine CD mit Fangesängen einlegen oder Ein-Euro-Jobber auf Kommando applaudieren.
Haben Sie etwas gegen Hoeneß?
Im Grunde nichts. Aber ich erinnere mich an seine despektierlichen Aussagen über unsere Arena, die angeblich mit dem Olympiastadion nicht mithalten kann, und Schalkes Finanzsituation. Seit einigen Tagen kennen wir ja die Wahrheit.
Inwiefern?
Schalke plagen 91 Millionen Euro Verbindlichkeiten, aber wir haben ein Eigenheim. Irgendwann ist die letzte Rate bezahlt, da kickt Hertha immer noch in einem vom Steuerzahler subventionierten Stadion. Dass die trotzdem so hohe Verbindlichkeiten haben - da muss einiges schief gelaufen sein.
Wieso die Aversionen?
Ach, bei uns im Ruhrgebiet interessiert Hertha keinen. Wenn überhaupt, dann wünschen einige wie ich dem Klub sogar Erfolg, weil Berlin unsere Hauptstadt ist. Die meisten unserer Fans aber wissen nicht, warum Schalke Feindbild Nummer eins der Herthaner ist.
Haben Sie eine Erklärung?
Das ist ein Minderwertigkeitskomplex. Neidgefühle, weil Schalke hat, was Hertha fehlt: Anziehungskraft, Faszination. Kurz: Sexappeal.
Zurück zu den Fangesängen: Warum hat Hertha so etwas nötig?
Man staunt ja schon, wenn man die Zuschauerzahlen sieht. Bei uns kommen im UI-Cup 55 000 gegen Gurkentruppen aus Osteuropa, bei Hertha verlieren sich im Uefa-Cup gegen Lens 18 000 Leute. Und das, obwohl Berlin Millionenstadt ist und Gelsenkirchen nur 280 000 Einwohner hat. Es scheint, die Berliner lieben ihren Verein zu wenig.
Im Olympiastadion leidet wegen der Laufbahn per se die Stimmung.
Das ist eine Ausrede. Wir haben uns im alten Parkstadion schon eine Stunde vor Spielbeginn eingesungen. Bei unseren Pokalfinalteilnahmen, selbst beim 1:4 letzte Saison in Berlin, haben wir super Stimmung gemacht. Die Berliner haben nur andächtig gelauscht. Hertha hat zu viele Zuschauer und zu wenig Fans.
Wie sollen wir das verstehen?
Zuschauer kommen nur, wenn der Erfolg da ist.
Haben Sie etwas Ähnliches erlebt wie Herthas Lautsprecheraktion?
Ja, in Nürnberg. Da hat ein DJ Lautsprecher vor dem Fanblock mit Gesangsvorlagen gespeist. Das fand ich noch blöder.