81 deutsche Großstädte und ihre Top-Vereine

  • Stimmt. Sehr oberflächlich. Bei Erlangen haben sie den heutigen BSC, früher SpVgg Büchenbach vergessen, der jahrelang Drittklassig war. Und in Würzburg den FV, der mal in der 2.Buli war.

  • Platz 8: Leipzig (601.866 Einwohner)


    1. RasenBallsport Leipzig (1. BL/1)

    2. BSG Chemie Leipzig (RL/4)

    3. 1.FC Lok Leipzig (RL/4)

    4. FC Blau-Weiß Leipzig (VL/6)

    5. FC International Leipzig (VL/6)


    Leipzig spielt in der Geschichte des deutschen Fußballs eine besondere Rolle. 1893 entstand mit dem Fußballclub Lipsia der älteste Verein der Stadt. 1896 wurde der Verband Leipziger Ballspiel-Vereine aus der Taufe gehoben. Am 28. Januar 1900 trafen sich in der Leipziger Gaststätte „Zum Mariengarten“ 86 Vereine, darunter fünf Leipziger Clubs, zur Gründung des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Der VfB Leipzig gewann 1903 die erste Deutsche Fußballmeisterschaft, der zwei weitere folgen sollten.


    Der heutige Top-Club der Stadt, RasenBallsport Leipzig, hat mit der fast 130jährigen Geschichte des Leipziger Fußballs hingegen wenig gemein. Er wurde erst 2009 gegründet. Und dies auch nicht in Leipzig, sondern in der 15.000-Seelen-Gemeinde Markranstädt an der Westgrenze der Messestadt. Die Gründung erfolgte auch nicht durch fußballbegeisterte Leipziger oder Markranstädter Bürger, sondern durch den österreichischen Getränke- und Sportkonzern Red Bull. Es ist damit in dieser Serie der einzige Verein, dessen Entstehung im Ausland, in diesem Fall Fuschl am See nahe Salzburg, vorangetrieben wurde und dessen Gründung ursprünglich nicht dem Breiten- oder Betriebssport diente.


    Die Gründung von RB Leipzig erfolgte sowohl aus den konzernstrategischen Überlegungen der Red Bull GmbH als auch aus dem Ehrgeiz des jüngst verstorbenen Red-Bull-Firmengründers Dietrich Mateschitz, den Großkopferten des deutschen Fußballs wie etwa Uli Hoeneß zu beweisen, dass der Red Bull-Konzern auch in Deutschland im Fußball erfolgreich sein könne.


    Die Idee eines Energy-Drinks brachte Mateschitz Anfang der 80er Jahre aus Asien mit. Da solche Getränke in Europa noch kaum bekannt waren, bedurfte es ausgeklügelter Marketingstrategien, um sie im Markt zu etablieren. So entwickelte sich Red Bull weniger zu einem Getränkehersteller, als vielmehr zu einer Marketingmaschine. Anfänglichen Guerilla-Marketing-Aktionen folgte die intensive Unterstützung von Extremsportarten, da deren Image der vermeintlich leistungsfördernden Wirkung der Getränke entsprach. Letztlich ist die Fanklientel beim Extremsport aber überschaubar, so dass Red Bull als Sponsor folgerichtig fortan in Massensportarten und hier besonders in den Fußball investierte.


    2005 stieg Red Bull beim verschuldeten österreichischen Erstligisten Austria Salzburg ein. Nun sind Sponsorennamen als Teil des Vereinsnamens in Österreich erlaubt und keine Seltenheit. Bei Red Bull handelte es sich aber nicht um einem normalen Sponsor. Der Konzern ließ sich ein Sonderrecht zur Vorstandsbestellung in die Vereinsstatuten der Austria schreiben und schaltete auf diese Weise die Mitgliederrechte aus. Danach wurde die Geschichte des Arbeiterclubs von 1933 ausgelöscht, die violetten Farben und das Wappen wichen den Firmenfarben und dem Red-Bull-Logo, lediglich die Änderung des Gründungsdatums in 2005 musste Red Bull später zurücknehmen. Ansonsten erklärte Red Bull aber kategorisch, dass dies nun ein neuer Verein sei und es keine Austria-Tradition mehr gäbe (worauf die Fans der Violetten einen neuen SV Austria gründeten).


    Allerdings war die österreichische Bundesliga nicht wirklich das Ziel von Red Bull. Der Konzern zielte vielmehr auf den weltweit größten Vereinswettbewerb, die Champions League, ab. An diesem Ziel scheiterte Red Bull Salzburg allerdings mehrfach geradezu kläglich.


    Ein Wechsel des Fokus auf den deutschen Fußball war so unumgänglich. Dabei bestand zu dem Standort Leipzig kein besonderer Bezug. Auch ein Einstieg bei der zur damaligen Zeit am Boden liegenden Fortuna aus Düsseldorf wurde beispielsweise erwogen. Mit der Salzburger Vorgeschichte war allerdings weder in Düsseldorf, noch beim FC St.Pauli oder 1860 München an einen Einstieg Red Bulls zu denken. Auch in Leipzig scheiterte der Konzern zunächst an einer Übernahme des FC Sachsen Leipzig.


    Dennoch bot die Messestadt optimale Bedingungen: eine fußballbegeisterte Stadt, deren Traditionsvereine sportlich und finanziell gescheitert waren, dazu eine Fußballszene, in der die Jugendgewalt der Nachwendezeit überlebt hatte und immer wieder negative Schlagzeilen produzierte, ein WM-Stadion, dessen Betreiber händeringend nach einem Nutzer suchte, ein sportpolitisches Interesse an einem erfolgreichen „Ostverein“ und letztlich die Besonderheiten im sächsischen Fußball, die einen hochklassigen Einstieg unterhalb der DFB-Zuständigkeit ermöglichte.


    Denn einer „Vereinsgründung“ nach Salzburger Vorbild standen gewichtige Hürden im Weg. Ein neuer Verein muss im Normalfall auf Kreisebene beginnen. Firmennamen als Vereinsnamen und Firmenlogos als Wappen sind verboten, und die 50+1-Regel soll den Durchgriff von Investoren auf Vereinsentscheidungen zugunsten der Vereinsmitglieder verhindern.


    Da der sächsische Fußball eine Art Lizenzhandel erlaubte, also die Weitergabe des Startrechts in den Amateurklassen, machte sich der neue Club RB Leipzig auf die Suche nach einem kooperationswilligen Verein im Leipziger Umfeld. Im Oberligisten SSV Markranstädt fanden sie 2009 einen willigen Partner, der seine Herren-Teams und den Oberliga-Platz für kolportierte 400.000 Euro an RB verkaufte, Die Mannschaften 2-4 kehrten nach einer Saison nach Markranstädt zurück. Die Vorstädter verbrannten das Geld übrigens in kürzester Zeit und sind heute sechstklassig.


    Das Verbot des Firmennamens umging Red Bull mit dem Kürzel RB, das jeder mit der Marke Red Bull und nicht dem Phantasienamen RasenBallsport verbindet. Dass DFL und DFB später auch noch das nur unmerklich veränderte Firmenlogo akzeptierten, fällt kaum noch ins Gewicht. Anders die Aushöhlung der 50+1-Regel. Kein Verein in dieser Serie wurde jemals mit dem Ziel gegründet, interessierte Fans von einer Vereinsmitgliedschaft fernzuhalten.


    RB hingegen schuf mit 21 dem Konzern nahe stehenden Mitgliedern eine leere Vereinshülle, die die 50+1-Regel ad absurdum führte. Das alleinige Entscheidungsrecht liegt so formal beim Verein, der eigentlich keiner ist. Leider argumentieren viele Fans heute oft schlampig und reihen RB Leipzig in die Reihe der erlaubten Ausnahmen von der 50+1-Regel (Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim) ein und unterschlagen so, dass die Konstruktion von RB eben keine von DFB und DFL erlaubte Ausnahme, sondern ein gewolltes und gezieltes Foulspiel gegen die Regeln des deutschen Fußballs war.


    Der sportliche Teil ist schnell erzählt: Aufstieg in die Bundesliga 2016, mehrfache Teilnahme an der Champions League und erster nationaler Titel 2022 (Pokalsieger).


    Zurück zu den Anfängen. 1893 gründen Lehrlinge einer Mechanischen Werkstatt im nördlichen, gerade drei Jahre zuvor eingemeindeten Stadtteil Gohlis den FC Lipsia. Kurz darauf folgt im Westen der Stadt, in Lindenau, der Leipziger BC 1893. Concordia Leipzig und Saxonia Leipzig fusionieren in Gohlis 1895 zum FC Wacker 1895 Leipzig.


    Der erst 17jährige Ernst Johannes Kirmse gründet 1893 die Sportbrüder Leipzig und lädt 1900 zur DFB-Gründung nach Leipzig ein. 1896 bringt Theodor Schöffler den VfB Leipzig an den Start. Schöffler gilt übrigens als Gewinner des ersten Marathons auf deutschem Boden, ist Mitinitiator des DFB und Vater der frühen Erfolge des VfB Leipzig, die er allerdings durch seinen unerwarteten Tod mit 26 Jahren nicht mehr miterleben konnte. 1898 fusionieren die Sportbrüder und der VfB zum VfB Sportbrüder 1893 Leipzig.


    In jenen Jahren geht es in Leipzig Schlag auf Schlag: 1896 wird der Verband Leipziger Ballspiel-Vereine gegründet. Dabei sind der Leipziger BC 1893, FC Wacker 1895 Leipzig, VfB Leipzig und die Fußballer der Leipziger Finkenschaft. Später folgen auch Lipsia und die Sportbrüder.


    Zu den Gründungsmitgliedern des DFB gehören aus Leipzig der BC 1893, der FC Lipsia, BV Olympia 1896 Leipzig, der VfB Sportbrüder Leipzig (das Sportbrüder entfällt noch im selben Jahr) und der FC Wacker. Im Schwange der DFB-Gründung initiieren die Leipziger noch Ende 1900 die Gründung des Verbands Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine. Schon 1901/02 wird die erste Mitteldeutsche Fußballmeisterschaft ausgespielt.


    Der erste Mitteldeutsche Meister ist der FC Wacker 1895 Leipzig (ab 1918 SC Wacker), ein von Schülern gegründeter Verein, der bis 1937 stets erstklassig spielt und 1908 noch einmal Mitteldeutscher Meister wird. Gespielt wird ab 1923 im eigenen Wackerstadion, heute Stadion des Friedens, in Gohlis. Nach 1945 werden die Nachfolger des traditionsreichen SC Wacker dem VEB Schwermaschinenbau Verlade- und Transportanlagen Leipzig zugeordnet und heißen nun BSG Motor Gohlis-Nord, auch als „MoGoNo“ bekannt. Nach 1990 wird daraus die SG Motor Gohlis-Nord Leipzig, der kurzfristige Versuch eines potentiellen Sponsors, den alten Namen Wacker wiedereinzuführen, findet keine Mehrheit im Club. Heute spielt MoGoNo in der achtklassigen Kreisoberliga gegen den Abstieg.


    Noch schlimmer ergeht es den beiden Pionieren Lipsia und BC 1893. Die Lipsia aus Eutritzsch kann 1913 von Gohlis auf einen eigenen Platz in Eutritzsch umziehen. Erfolge erzielen die Grünweißen aber keine. Nach dem Krieg dauert es bis 1958, bis mit der BSG Einheit Eutritzsch eine Art Nachfolger gefunden wird. Daraus wird später die BSG Baufa Eutritzsch. 1993 nutzt man das 100jährige Jubiläum der Lipsia-Gründung zur Umbenennung in SV Lipsia 1893 e.V. Eutritzsch, der heute in der siebtklassigen Landesklasse eine gute Rolle spielt. Damit erging es Lipsia immerhin besser als dem BC 1893, der nach der Auflösung 1945 nicht mehr neu gegründet wird. Das gleiche Schicksal erleidet der FC Sportfreunde Leipzig von 1900 aus Connewitz, der 1939 immerhin im Achtelfinale des deutschen Pokals steht, aber 1945 von der Fußball-Landkarte getilgt wird


    Überlebt hat der BV Olympia 1896 Leipzig, zumindest der Name. Nach dem Krieg übernimmt die SG Gohlis-Süd Platz und Spieler der aufgelösten Olympia. Daraus wird die BSG Motor Gohlis und 1961 nach Fusion mit der BSG Lokomotive Nord die BSG Motor Nord. Nach 1990 wird unter dem Namen SV Motor Leipzig-Nord und ab 2005 als SG Olympia 1896 Leipzig weitergespielt. Heute spielen die Olympioniken in der Kreisoberliga, der Leipziger Stadtliga, um den Aufstieg.


    Ein ganz anderes Kaliber ist in den frühen Jahren hingegen die Spielvereinigung 1899 Leipzig aus Lindenau. Vier mal gewannen die Lindenauer die Mitteldeutsche Meisterschaft (1912, 1914, 1922, 1924), 1912 und 1924 dringt der Verein bis ins Halbfinale der Deutschen Meisterschaft vor. Nach 1945 entsteht in Lindenau die SG Lindenau-Hafen, später BSG Industrie Hafen und ab 1951 geteilt in BSG Fortschritt West und BSG Motor Lindenau. 1990 finden beide Vereine in der Spielvereinigung 1899 Leipzig wieder zusammen. Heute kämpft der Verein gegen den Abstieg aus der Stadtliga.


    Bestand hat auch der SV Fortuna Leipzig 02, der 1925/26 als Mitteldeutscher Vizemeister bis ins Viertelfinale der Deutschen Meisterschaft gelangt. Mit zehn Spielzeiten in der Gauliga Sachsen ab 1933 waren die Fortunen in jener Zeit zudem zweitbester Leipziger Club hinter dem VfB Leipzig. Die Paunsdorfer kommen nach 1945 unter die Fittiche der Eisenbahner, spielen als BSG Lokomotive Ost Leipzig aber keine große Rolle im DDR-Fußball. Heute wird unter altem Name im Fortuna-Sportpark nur Kreisliga A gespielt. Der FC Eintracht Leipzig aus dem Eintracht-Sportpark am Forsthaus Raschwitz, Mitteldeutscher Meister von 1916, ist hingegen Geschichte.


    Bei der Gründung der Gauliga Sachsen 1933 sind nur zwei Clubs aus der Messestadt vertreten, der VfB und Wacker, im Folgejahr kommt Fortuna hinzu. 1936 taucht dann ein neuer Name im Leipziger Fußball auf: Der Turn- und Rasensportverein 1899 Leipzig (TuRa Leipzig), 1932 als Betriebsmannschaft der Leipziger Automatenfabrik Carl M. Schwarz in Leutzsch gegründet. Der großzügige Sponsor sorgt für einen raschen Durchmarsch des TuRa und große Zuschauermassen und integriert viele Sportler aus dem verbotenen Arbeitersport. 1938 fusioniert der Club mit dem Leipziger SV 1899 aus Lindenau, einst Britannia 99, zum Turn- und Rasensportverein 1899 Leipzig, dem Vorläufer der späteren BSG Chemie. Die Fusion entsteht auf Drängen der braunen Machthaber, einen Großverein im Leipziger Westen zu formen. Schon damals entsteht eine tiefe Rivalität zum gutbürgerlichen VfB Leipzig, obwohl die TuRa-Semiprofis (mit Jobs in der Automatenfabrik) bis 1945 nicht in die Nähe eines Titels kommen. Unternehmer Karl Schwarz und Manager Jack Emonts ziehen sich in der Folge der Fusion zurück und sterben später bei einem Bombenangriff auf Leipzig.


    Über allem steht aber zwischen 1896 und 1945 der VfB Leipzig. 1903 wird der VfB erster Deutscher Meister mit einem 7-2 über den DFC Prag vor 2.000 Zuschauern. Bis 1914 steht der VfB achtmal in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, drei Mal (1903, 1906 und 1913) werden sie Titelträger, drei Mal (1904, 1911, 1914) Vizemeister.


    1922 entsteht in Probstheida das VfB-Stadion für 40.000 Zuschauer, die Blau-Weißen siedeln dafür in das spätere Bruno-Plache-Stadion um. Nach dem ersten Weltkrieg gesellen sich zu den acht Mitteldeutschen Meisterschaften nur noch eine weitere. Herausragend bleibt noch der Pokalsieg 1936 über Schalke 04. In der Gauliga Sachsen spielen die VfBler zwar elf Spielzeiten, sind aber gegen den Dresdner SC chancenlos und müssen sich mit zwei Vizemeisterschaften begnügen.


    Die Nachkriegsgeschichte des Leipziger Fußballs legt schon die Saat für die Irrungen und Wirrungen des Leipziger Fußballs bis zum heutigen Tag. Denn kaum sonstwo greift die DDR-Sportpolitik so harsch in den sportlichen Wettstreit ein wie hier und scheitert in dem Versuch, den Leipziger Fußball auf Spitzenniveau zu hieven.


    Im Sommer 1949 schließen sich die Vereine SG Leutzsch, SG Lindenau-Hafen, SG Lindenau-Aue und SG Böhlitz-Ehrenberg zur ZSG Industrie Leipzig zusammen und treten das Erbe des TuRa an. Ab 1950 wird der Verein vom VEB Lacke und Farben (lacufa) unterstützt und wechselt so ins Chemie-Lager. Aus der ZSG Industrie wird die BSG Chemie Leipzig und aus den rot-weißen Farben der TuRa das Grün-Weiß der Chemie. Chemie lockt die größten Zuschauermassen in der DDR-Oberliga und wird 1951 DDR-Meister. In der Folge wirbt die Volkspolizei viele Spieler ab, der SV Vorwärts der Kasernierten Volkspolizei (KVP) Leipzig macht sich so keine Freunde und siedelt später nach Berlin um. Chemie wird so zum ersten Mal zum Opfer der politischen Verhältnisse.


    Die SG Leipzig-Probstheida hingegen wird nach dem Krieg von einstigen Fußballern und Repräsentanten des VfB gegründet. Ab 1950 nennt sich der Verein BSG Einheit Leipzig Ost. 1953 schaffen die Ost-Leipziger endlich den Aufstieg in die DDR-Oberliga.


    1954 greift die Politik wieder vehement ein. Die Oberliga-Mannschaft von Chemie Leipzig wird nun von der SV Lokomotive unterstützt und startet zukünftig als SC Lokomotive Leipzig. In Leutzsch verbleibt als Breitensportverein die BSG Chemie-Leipzig-West. 1958 schließt sich Chemie Leipzig-West mit der BSG Chemie Leipzig-Ost zur BSG Chemie Leipzig zusammen. Chemie kommt aber nicht über die Bezirksklasse hinaus. In Probstheida hingegen werden in dieser Zeit die Spieler von BSG Einheit Leipzig Ost zum neuen SC Rotation delegiert. DDR-Oberliga-Fußball wird nun beim SC Lok und beim SC Rotation gespielt.


    Der gewünschte Erfolg bleibt aus, so dass die Polit-Oberen den nächsten Schlag planen. Im neuen SC Leipzig sollen die besten Spieler des Bezirkes Leipzig zusammengefasst werden. Die besten Spieler von Rotation und Lok treten nun für den SC Leipzig an. Der„Rest von Leipzig" wandert zur BSG Chemie. Der SC Lok hatte unterdessen seinen Club-Status verloren und war wieder von der BSG Chemie geschluckt worden. Es kommt, wie es kommen musste. Der Rest von Leipzig wird in den Farben der BSG Chemie 1964 zum zweiten Mal Meister. Und vollbringt das „Wunder von Leipzig“.


    Chemie hält sich fortan in der 1. Liga. 1966 ist der SC Leipzig wieder Geschichte, jetzt geht der 1. FC Lokomotive Leipzig stattdessen unter Trägerschaft der Reichsbahn an den Start. Wieder soll in Probstheida ein Leistungszentrum in Form des 1.FC Lokomotive Leipzig entstehen. Der Beschluss widerspricht der sportlichen Lage. Chemie Leipzig gehört zu den Dauerbrennern der DDR-Oberliga und der 1.FC Lokomotive Leipzig steigt 1969 völlig unvermittelt in die DDR-Liga ab. Erst an letzten Spieltag der folgenden Saison gelingt der Wiederaufstieg. Anderenfalls hätte Lok die Aberkennung des Status als Leistungszentrum gedroht.


    Die Konzentration auf Lok bleibt für Chemie nicht ohne Folgen. 1971 geht es erstmals eine Klasse tiefer. In den 70er und 80er Jahren wird aus der Chemie-Mannschaft eine Fahrstuhlelf. Lok hingegen erlebt in den 80er Jahren seine beste Zeit. Zwei Pokalsiege 1986 und 1987, zwei Vizemeistertitel 1986 und 1988 und 1987 der Einzug ins Finale gegen Ajax Amsterdam im Europapokal der Pokalsieger. In der

    letzten Oberliga-Saison 1990/91 schafft Lok auf den letzten Drücker noch den Aufstieg in die 2. Bundesliga.


    In Leutzsch firmiert man seit 1990 als FC Grün-Weiß Leipzig 1990 e.V. Man ist ebenso wenig auf Rosen gebettet wie der einstige Konkurrent im Chemie-Lager, Chemie Böhlen. So fusionieren beide Vereine 1990 zum FC Sachsen Leipzig, der in der letzten Oberliga-Saison spielt, sportlich scheitert und wirtschaftlich immens verschuldet ist. In Probstheida wird unterdessen der 1. FC Lokomotive Leipzig in VfB Leipzig zurückbenannt.


    Ab 1991 spielt der FC Sachsen zunächst drittklassig in der NOFV-Oberliga Süd. Die Finanzprobleme wachsen. Zwei Mal wird dem FC Sachsen die Lizenz verweigert, zwei Mal Insolvenz angemeldet. 2011 wird das endgültige Aus des FC Sachsen vom Insolvenzverwalter angeordnet.


    1997 hatten Anhänger der Grün-Weißen mit der Gründung der Ballsportfördergemeinschaft Chemie Leipzig die Marke BSG Chemie gesichert. In den Folgejahren kommt es vermehrt zu Spannungen innerhalb der Anhängerschaft des FC Sachsen Leipzig und Differenzen mit der Vereinsführung. Schließlich wird aus der BSG Chemie ein ordentlicher Verein, der in der Saison 2008/09 am Spielbetrieb der 12. Liga teilnimmt. 2011 erfolgt die Umbenennung in Betriebssportgemeinschaft Chemie Leipzig.


    Ehemalige Funktionäre des FC Sachsen wollen hingegen einen anderen Weg gehen, gründen 2011 die SG Leipzig-Leutzsch. Auch dieser Verein geht Pleite. Der nächste Versuch, der Leutzscher Fußballvereins Sachsen Leipzig spielt in der 1. Kreisklasse.


    Der VfB Leipzig steigt im 100. Jahr des Vereinsbestehens hingegen völlig unerwartet in die Bundesliga auf. Im riesigen Zentralstadion ist man aber chancenlos. 1998 ist der VfB in der Regionalliga Nordost angekommen und spielt gegen den FC Sachsen das erste Derby seit fast acht Jahren. Ab 2000 wird der Verein durch die Spielklassenreform zum Oberligisten. Damit gehen auch in Probstheida die Lichter aus. 2003/04 ist der ruhmreiche VfB endgültig insolvent,


    Ende 2003 hatten bereits Fans des VfB den 1. FC Lokomotive Leipzig neu gegründet. Wie auch die neue BSG Chemie gelingt es, einige Spielklassen durch Fusion oder Spielrechtsübernahme zu überspringen. 2012 ist Lok erstmals in der Regionalliga, ab 2016 dauerhaft und 2020 wird der Aufstieg in die 3. Liga im Play-off verpasst. 2021 wird das Insolvenzverfahren gegen den VfB Leipzig eingestellt, so dass Lok und VfB wieder fusionieren und so formal eine Nachfolgeschaft erreichen.


    Die BSG Chemie hingegen kommt 2017 wieder die Regionalliga. Seither liefern sich Lok und Chemie wieder die erbitterten Duelle und leben die alte Leipziger Fußball-Rivalität. In der vierten Liga und im Schatten des importierten RB Leipzig.


    Wunsch: BSG Chemie steigt in die 3. Liga auf.

    Ist das noch Fußball?

    3 Mal editiert, zuletzt von matz ()

  • Hi Matz,

    danke für Deine Mühe. Ich bin nur über folgenden Satz gestolpert:

    "Bis 1914 steht der VfB neunmal in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, drei Mal (1903, 1906 und 1914) werden sie Titelträger, drei Mal (1904, 1911, 1914) Vizemeister."

    Demnach waren die 1914 Meister und Vizemeister?

  • Endlich! Es geht weiter. Vielen Dank!

    Gerade Leipzig bietet ein Wirrwarr der Geschichte, vor allem in der DDR. Und

    RB ist eh so ein (Skandal)Kapitel für sich. "Elegant" Satzungslücken ausgenutzt und...was Geld da eine Rolle spielt wird wohl nie klar aufgeklärt werden.

    Die heutige Lok beansprucht die Tradition des vor 45 VfB für sich. Sehr zweifelhaft und diskussionswürdig. Auch bei Chemie ist nicht alles so klar, wie deren Lager behauptet.

    Aber da hilft ein gründlicher Blick auf die Geschichte schon weiter. Eine überzeugende Klärung ist da schwer und vermutlich auch nicht möglich. Es bleibt Interpretation. Trotzdem, diese Fakten helfen, sich zu informieren.

    Ich glaube, Leipzig dürfte das bei weitem schwierigste Kapitel sein. Auch wenn Köln und Berlin auch einiges schwieriges und diskussionswürdig bieten werden.

    Also nochmal: vielen Dank für deine tolle Arbeit!

  • Leipzig ist sicher das undankbarste Kapitel. Wie immer bei dieser Serie faszinierend, wie weit manche Entwicklungen zurückreichen. Hätte die DDR-Sportpolitik in Leipzig nicht so rumgepfuscht, wäre vielleicht nie ein Einfallstor für RB entstanden.

    Ist das noch Fußball?

  • Das spielt sicherlich eine große Rolle. Aber bei Lok/VfB und Chemie/FC Sachsen dürften auch andere Faktoren mitwirken. Andere DDR-Verein haben die Transformation auch überlebt und bis heute eine mehr oder minder gute Position. Andere gingen unter.

    Der RB Konzern hat gezielt eine Großstadt bzw. Region ausgesucht, in der ein Profiverein fehlte, Umstände wie Stadion und Satzungslücken mitwirken und die Marketingsanalyse Erfolg versprachen.

    Brave New World...

  • Die Metropolregion Rhein-Neckar, die "einen Bundesligisten verdient" ( so das "Argument" des Geldgebers) hatte ja schon ihren reichen Onkel.

    Alle anderen waren / sind schon mit Profivereinen versorgt. Dazu ein paar " Betriebsunfälle" ubd "gallische Dörfer" wie Freiburg, Kaiserslautern, Heidenheim, Kiel, Augsburg, Regensburg, Fürth und Sandhausen.

    Zum Glück ist doch nicht alles käuflich und planbar. Aber Leipzig war schon ein einfaches und "dankbares" Ziel.

  • Das spielt sicherlich eine große Rolle. Aber bei Lok/VfB und Chemie/FC Sachsen dürften auch andere Faktoren mitwirken. ...

    Nun, Anfang/Mitte der 50er - und auch Mitte 60er/Anfang 70er - Jahre war die Situation so, dass sich wie in ähnlich großen Städten (Dresden, Bremen) e i n Verein als d e r Verein der Stadt hätte etablieren können: Die BSG Chemie war zu jener Zeit mit Abstand das beliebteste Team in Leipzig. Da die sozialistischen Machthaber ungeachtet dieser Gegebenheiten dirigierten, hat man letztlich in dieser Hinsicht eine "geteilte" Stadt geschaffen. Dies war die Voraussetzung, dass sich die beiden Lager unter den nach der Wende entstandenen Bedingungen "neutralisierten" und letztlich immer weiter nach unten zogen. Ob nun VfB/Lok oder FCS/Chemie, man kam zwar aus einer 600 Tsd.-Stadt, hatte aber nur die halbe Stadt hinter sich und die andere halbe Stadt gegen sich...

    "Wer nicht alles gibt, gibt nichts!" (Alfred Kunze)

    Einmal editiert, zuletzt von Guenni ()

  • Alles sehr lesenswert und ganz viel Kuddelmuddel da in Leipzig.


    Aufgrund der Vollständigkeit sicherlich richtig den aktuellen Platzhirsch zu beleuchten, aber irgendwie auch schade um deine Zeit, so viele Zeilen auf diesen Mist zu verschwenden.

  • Alles sehr lesenswert und ganz viel Kuddelmuddel da in Leipzig.


    Aufgrund der Vollständigkeit sicherlich richtig den aktuellen Platzhirsch zu beleuchten, aber irgendwie auch schade um deine Zeit, so viele Zeilen auf diesen Mist zu verschwenden.

    Richtig. Aber andererseits nerven mich auch manche "Sponsor wie jeder andere"-Sprüche. Nach gefühlt 500 Vereinen in dieser Serie wird einem noch mal die Singularität des Vorgehens von RB bewußt.

    Ist das noch Fußball?

  • RB ist in der Tat einmalig. Das toppt sogar Hoffenheim, wo der "reiche Onkel" immerhin aus dem Ort kommt, also für seine Heimat was macht, und auch das Konzept ursprünglich ein anderes war. RB ist ein krasses Produkt, egal wie man dazu steht.

    In der DDR wurden viele Vereine rumgeschubst, umbenannt und neu gemischt. Leipzig war da besonders krass. In kleineren Orten oder Stadtteilen konnte man trotz Umbenennung und formalen Neugründungen eine Traditionslinie halten.

    In Dresden und erst recht Leipzig hingegen war das ein Gemische und Geschiebe ohne Ende.

    RB konnte dann ausnutzen, das (DDR)Lok und (DDR) Chemie nach 1990 überhaupt nicht mehr klar kamen. Andererseits sind die jeweiligen Neugründungen aus der "Basis" heraus auch ungewöhnlich und beeindruckend.

  • woher rührt denn der aktuelle (relative) Erfolg des FC BW ? die haben ja auch eine lange Traditionslinie, aber sind nie groß in Erscheinung getreten überörtlich oder überseh ich da einen Vorgänger ?

    #22/5 5 Regional-Verbände = 5 Regional-Ligen = 5 Regional-Meister = 5 Aufsteiger

  • woher rührt denn der aktuelle (relative) Erfolg des FC BW ? die haben ja auch eine lange Traditionslinie, aber sind nie groß in Erscheinung getreten überörtlich oder überseh ich da einen Vorgänger ?

    Wen meinst du mit "FC BW"?

    "Wer nicht alles gibt, gibt nichts!" (Alfred Kunze)

  • Schon ganz interessant und ungewöhnlich mit Leipzig. Bei mir stellt sich die Frage was es mit dem FC International auf sich hat? Die sind ja erst vor ein paar Jahren gegründet worden und scheinen ein paar Ligen übersprungen zu haben. Was ist das für ein Verein bzw. was sind die Ziele des Vereins, mit welcher Intention wurde der gegründet? Auch so ein Kommerzprudukt wie RB Leipzig oder aus anderen Gründen und wie weit wollen sie die Ligaleiter noch nach oben klettern und wie werden die von der Leipziger Bevölkerung wahrgenommen?


    Und mit Roter Stern Leipzig gibt es ja einen weiteren unterklassigen Verein, der hier nicht aufgeführt ist, der eine Fanszene hat.


    Und wie stehen sich die beiden Leutzscher Vereine gegenüber, also die BSG Chemie und der LFV Sachsen Leipzig? Gibt es da eine Kiez-Rivalität oder ist man sich freundlich gesonnen mittlerweile und wäre nicht eine Fusion hier am sinnvollsten?

    Bei Lok wäre es doch Top wenn die sich VfB Lokomotive Leipzig nennen würden, denn dann hätte man die historische und DDR-Tradition auch im Namen vereint.