Zur Situation beim FC Normannia

  • Vergangenen Freitag kam in der GT dieses Interview, das meiner Meinung nach sehr zutreffend die momentane Situation beim FC Normannia aufzeigt.


    "NICHT VERGESSEN WO WIR HERKOMMEN"


    Was ist los beim FC Normannia Gmünd? Sechs Niederlagen in Folge, nur vier Punkte aus acht Spielen, Platz 17 in der Tabelle. Für die Verantwortlichen kein Grund zur Panik. "Es wäre Augenwischerei, wenn wir gleich gesichert wären. Der Abstiegskampf gehört dazu." Spielleiter Gerhard Schurr, Trainer Alexander Zorniger und Kapitän Mark Mangold haben beim Redaktionsbesuch die Situation analysiert.


    VON WERNER RÖHRICH UND ALEXANDER HAAG


    Mal ehrlich, habt ihr Angst vor dem Abstieg?


    Mangold:
    Nein, wir Spieler schaffen das.


    Zorniger:
    Das ganze Team wird es schaffen.


    Nach sechs Niederlagen wird viel über den FC Normannia diskutiert. Was ist los im Schwerzer?


    Zorniger:
    Ich glaube, es ist wichtig, dass das Umfeld endlich mal aufgeklärt wird.


    Tun Sie es . . .


    Zorniger:
    Grundsätzlich gilt: Ich suche keine Ausreden für die momentane Situation. Aber mehrere Gründe haben dazu geführt, dass wir Vorletzter sind. Ganz entscheidend ist, dass ich ein Gerüst von sechs, sieben Leistungsträgern habe. Abgesehen von Torwart Matthias Gruca hat jeder von denen Minimum drei Wochen gefehlt. Diese Spieler sind alle nicht auf dem Niveau, auf dem sie eigentlich spielen können.


    Was sind die anderen Gründe?


    Zorniger:
    Wir haben in den zwei Jahren Oberliga immer auf einem gewissen Level gespielt. Aus verschiedenen Gründen spielen wir gerade nur wenige Prozent unter diesem Limit - das reicht nicht mehr, um Spiele zu gewinnen.


    Aber ein 0:0 gegen den A-Ligisten TSB Gmünd ist auch damit nicht zu erklären.


    Mangold:
    Ich habe daheim meine Sporttasche gepackt und mich wirklich auf dieses Spiel gefreut. Deshalb fällt es mir schwer, eine Erklärung für dieses 0:0 zu finden.


    Schurr:
    Das TSB-Spiel hatte auch was Positives.


    Zorniger:
    Sag jetzt nicht, dass wir zu Null gespielt haben . . .


    Schurr:
    Nein, aber schlechter geht's wirklich nicht mehr . . .


    Zorniger:
    Nein, das stimmt so nicht. Ich sehe immer etwas Positives. Ich weiß, dass es die Mentalität vieler ist, dass sie viel zu schnell aufgeben. Das dürfen wir jetzt nicht tun. Wir dürfen uns nicht noch weiter nach unten ziehen lassen.


    Das ist doch eine Frage des sportlichen Erfolgs.


    Zorniger:


    Ja, wir haben gesagt, dass ein Mittelfeldplatz nicht realistisch ist. Wir müssen die Realitäten richtig sehen: Acht bis zehn Oberligisten trainieren unter Profibedingungen. 14 Vereine haben einen Profitrainer beschäftigt. Beim SV Waldhof wird dreimal so viel trainiert, die Spieler verdienen ihr Geld mit dem Fußball. Wenn diese Vereine nicht vor uns stehen, machen sie irgend etwas falsch. Also ist unser Ziel der Klassenerhalt. Und da wäre es doch Augenwischerei, wenn wir von Beginn an gesichert wären. Der Abstiegskampf gehört einfach zur Tagesordnung.


    Mangold:


    Die Situation ist nicht neu. Vergangene Saison war's ähnlich. Wir haben jetzt nach dem achten Spieltag vier Punkte. 2005 hatten wir nach dem zwölften Spieltag neun Zähler.


    Sind die Zuschauer zu verwöhnt?


    Zorniger:
    Ich will bestimmt nicht gegen die Zuschauer mosern. Ein Schnitt von 400, 500 ist im Schwerzer o.k. Alles andere müssen wir uns erarbeiten. Aber es gibt einige, die alles kaputt machen wollen. Das geht auch nicht spurlos an meinen Spielern vorüber. Das ist doch kontraproduktiv für die ganze Mannschaft. Diese Leute sollen nicht vergessen, wo wir herkommen.


    Das heißt, die Oberliga darf nicht als Alltag gesehen werden.


    Zorniger:


    Seit 30 Jahren - also eine Generation lang - wird beim FC Normannia versucht, in die Oberliga zu kommen. Jetzt soll nach zwei Jahren schon wieder alles Alltag sein? Wir schaffen es in dieser Stadt scheinbar nicht, die Oberliga zu einem Erlebnis zu machen. Statt dessen heißt es: Eine Stadt wie Gmünd muss eine Oberligamannschaft haben. Wenn man das so sieht, muss man auch alles dafür tun: der Verein, die Zuschauer und die Stadt selbst.


    Tut die Stadt alles?


    Schurr:
    Was bringt die Stadt denn? Der Platz ist städtisch, wird also auch von den Schulen genutzt. Vor dem TSB-Spiel war ich im Schwerzer. Da haben elf Speerwerfer auf dem Rasenplatz trainiert. Es kann doch nicht sein, dass wir den Platz schonen und dann Speerwerfer drauf gehen.


    Zorniger:
    Wir wollen uns nicht immer über die Stadt beklagen, aber Fakt ist: Von den Möglichkeiten sind wir am unteren Limit in der Oberliga.


    Schurr:
    Der Heidenheimer SB muss sich beispielsweise nicht darum kümmern, ob der Platz gestreut ist. Diese Kosten bleiben in Gmünd an uns hängen.


    Wie ist es für die Spieler?


    Mangold:
    Wir sind bestimmt nicht verwöhnt, aber wenn wir in Straßdorf trainieren, sieht man bei dem Licht oft den Ball nicht. Zum Duschen müssen wir dann erst drei Kilometer fahren. Man muss uns nicht in Watte packen, aber die Basis muss einfach stimmen.


    Was ist mit der Mannschaft? Ist es immer noch der viel gelobte "verschworene Haufen"?


    Mangold:
    Eigentlich dürfte sich eine Mannschaft mit unseren Möglichkeiten nicht in der Oberliga halten. Aber wir haben einen tollen Charakter. Die Jungs spielen nicht, um Geld zu verdienen, sondern um Spaß zu haben.


    Das heißt, die Stimmung ist nach wie vor gut.


    Mangold:
    Auch nach sechs Niederlagen ist die Stimmung überraschend gut. Klar könnte man vermuten, dass viele den Kopf hängen lassen. Das ist aber nicht so. Wir trainieren wieder viel besser als vor drei, vier Wochen.


    Zorniger:
    Es ist für viele natürlich eine neue Erfahrung. Auch für mich. Ich gehe gerade jeden sechsten Abend nach Hause und es kotzt mich an. Ich frage mich, was ist diesmal wieder schief gelaufen.


    Mangold:
    Bei uns älteren Spielern ist das genauso. Ich kann nachts oft nicht gleich schlafen.


    Gab's noch nie eine Trainerdiskussion?


    Schurr:
    Nein. Die Fußballführung des FC Normannia hat vollstes Vertrauen in die Mannschaft und den Trainer. Es gibt höchstens ein paar Mitglieder, die Druck auf den Trainer ausüben wollen.


    Zorniger:
    Als Zuschauer würde ich auch als erstes auf den Trainer losgehen. Außenstehende suchen immer danach, wo sie ansetzen können. Und da ist die Arbeit des Trainers am offensichtlichsten.


    Wie sehen das die Spieler?


    Mangold:
    Unser Trainer-Mannschaft-Verhältnis ist nicht üblich für die Oberliga. Wir sind zusammen aufgestiegen, wir sind viel enger miteinander verknüpft. Bei uns ist es ganz einfach: Wenn die Mannschaft den Trainer Zorniger nicht mehr hat, hat sie ein Problem. Umgekehrt ist das genauso.


    Zorniger:
    Ich habe auch das Gefühl, dass das so ist. Klar, ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mir noch keine Gedanken gemacht habe. Aber diese habe ich schnell wieder beiseite gelegt.


    Zuletzt hatte man das Gefühl, dass die sonst so sichere Abwehr wacklig geworden ist.


    Zorniger:
    Die Viererkette war sicherlich immer unser Prunkstück. Aber sie ist ein sensibles Gebilde. Da ist es nicht förderlich, dass wir ständig wechseln müssen. Unsere Philosophie ist aber, dass wir bereits in den vorderen Reihen ein starkes Defensivverhalten brauchen. Wenn der Druck übers Mittelfeld auf die Viererkette zu groß wird, haben wir Probleme. Bei allem Respekt, aber wir haben in der Abwehr keine 10,0-Sekunden-Sprinter, die jede Situation ablaufen können.


    Youngster Marcel Funk hatte in Heidenheim eine eindrucksvolle Bilanz, musste dann aber wieder auf die Bank.


    Zorniger:
    Um das zu verstehen, muss man die kleinen Details kennen. In der Viererkette ersetzt nichts eine gute Abstimmung. Deshalb werde ich jetzt auf einen gewissen Stamm setzen: Michael Kuhn und Michael Zimmermann genießen künftig mein Vertrauen. Ich muss jetzt auch sonst auf meine Führungsspieler bauen.Zu denen auch die Neuzugänge Mathias Kluge und Michael Zimmermann gehören.


    Es heißt, die beiden seien nicht integriert.


    Zorniger:
    Ich behaupte mal, dass ich sehr gut motivieren kann. Als ich Michael Zimmermann das erste Mal in Esslingen getroffen und mit ihm geredet habe, hat er keine Miene verzogen. Er ist ein sehr introvertierter Spieler. Er hatte auch ein paar andere Ansichten, aber das hat sich angeglichen.


    Mangold:
    Die Neuen brauchen immer eine gewisse Eingewöhnungsphase. Ich habe Michael Zimmermann erst im Trainingslager richtig kennen gelernt. Er passt absolut rein in die Mannschaft und ist auch aufgetaut. Er ist ein Kumpel. Und Mathias Kluge wurde sowieso gut aufgenommen. Es ist quatsch, dass Zimmermann und Kluge isoliert sein sollen. Zwischenmenschlich gibt's wirklich keine Bedenken.


    Zorniger:
    Dasselbe gilt auch für Cem Korkmaz und Marcel Funk.


    Zurück zum Sportlichen. Was ist nach dem tollen Start passiert?


    Zorniger:
    Vielleicht haben wir nach dem tollen Start zu viel gewollt. Wir wollten unbedingt die Überraschungsmannschaft werden, und dann haben wir verkrampft. Die Niederlage gegen Pforzheim ärgert mich bis zum Ende meiner Trainertätigkeit.


    Morgen kommt Freiberg. Dann geht's gegen Sonnenhof-Großaspach und Emmendingen. Alles schlagbare Gegner.


    Zorniger:
    Wir haben keinen Drei-Spiele-Plan. Wir müssen jetzt von Spieltag zu Spieltag denken - genau wie im Aufstiegsjahr. Es muss Stück für Stück gehen. Und wir haben in der Vorrunde noch genügend Möglichkeiten zu punkten.


    Aber im November kommen mit dem SSV Ulm 1846, dem SV Waldhof Mannheim und dem SC Freiburg II drei ganz dicke Brocken.


    Zorniger:
    Das ist doch geil. Sollen sie doch kommen . . .

    Fußball ist kein Wunschkonzert. Kein Fußball ist es aber noch viel weniger.