Aus der "Neuen Westfälischen":
ROTE KARTE FÜR DEN WIRTSCHAFTSRAT
Präsident Norbert Wöstmann reagiert auf 300.000-Euro-Unterdeckung beim Fußball-Club Gütersloh
von Wolfgang Temme
Gütersloh. Trainerentlassungen sind bei Fußball-Clubs an der Tagesordnung. Dass aber ein ganzes Gremium vom Präsidenten gefeuert wird und zudem noch das den Verein finanziell tragende, ist ein Novum. Dafür gesorgt hat der FC Gütersloh. Norbert Wöstmann, offiziell erst seit dem 28. November 2005 Chef des Oberligavierten, zeigte dem kompletten Wirtschaftsrat gestern die Rote Karte, nachdem es dessen Mitglieder am Abend zuvor abgelehnt hatten, wie versprochen die Unterdeckung des Saisonetats in Höhe von knapp 300.000 Euro auszugleichen.
"Ich bin keinem der Herren böse, aber ich bin persönlich schwer enttäuscht." Norbert Wöstmann verwies gestern auf die mehrfach auch öffentlich gegebene Zusage der Wirtschaftsräte, für die von vornherein absehbare, durch den kostspieligen Spielerkader entstandene Etatlücke gerade zustehen. "Dann schauen wir uns in die Augen und dann wird gelegt – der Verein wird nicht mit diesem Problem belastet", hatte Michael Prüfer, im April 2005 zum Präsidenten gewählt und nur 142 Tage später mit dem Rücktritt in den Wirtschaftsrat zurückgewechselt, vollmundig verkündet. Als Nachfolger Wöstmann am Montag auf einer eigens dazu einberufen Sitzung um die Einlösung des Versprechens bat, kamen nach seiner Darstellung bei den Wirtschaftsräten Prüfer, Uli Rahmann, Thomas Hagedorn und Karl-Heinz Mertins nur 80.000 Euro zusammen.
Der 52-jährige Wöstmann, Chef der erfolgreichen "Wöstmann Markenmöbel-Vertrieb GmbH" und im Mai 2005 zum "Unternehmer des Jahres"in OWL gekürt, reagierte prompt. Er berief – von der Satzung juristisch gedeckt – das Gremium mit sofortiger Wirkung ab und verlagerte die Organisation des Vereins in seine Firma. Sein im November zum Vizepräsidenten gewählter Kompagnon Martin Schlautmann soll die operative Vorstandsarbeit übernehmen. Seine Assistenten Heike Marx (34) und Jens Granseier (28) kümmern sich um Organisation und Marketing. Prokurist Hartwig Brenker (58) übernimmt die Finanzbuchhaltung. Geschäftsführer bleibt allerdings der von Wöstmann hoch geschätzte Bernhard Hartmann.
Der unter einer starken Kopfschmerz-Erkrankung leidende Wöstmann will sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem stressigen Tagesgeschäft stärker heraushalten. "Wir versuchen, einen Führungskreis zu bilden, der bedingungslos hinter unserem Konzept steht", kündigte er an, "kerzengerade" am Plan festzuhalten, in der nächsten Saison mit Trainer Dr. Jörg Weber einen neuen Angriff in Richtung Regionalliga-Aufstieg zu starten.
Für den Ausgleich der Deckungslücke im Saisonetat (,,Als Präsident stehe ich schlussendlich in der Haftung" ) werde er verstärkt nach neuen Partnern suchen. Spielerverkäufe seien nicht geplant. "Der FC Gütersloh ist momentan zwar nicht liquide, aber es werden wie bisher alle Rechnungen bezahlt", kündigte Wöstmann an. "Jetzt muss ein Ruck durch die Stadt gehen", forderte er, "dann geht auch ein Ruck durch unser Portemonnaie." Unterstützung vor allem für die Finanzierung der Jugendarbeit erhofft er sich über ein eigens eingerichtetes Spendenkonto (Nr. 651209) bei der Sparkasse Gütersloh. "Wir brauchen auf die verbrannte Erde neue Kohle für die Zukunft", appellierte Wöstmann an die Gütersloher Wirtschaft, die Narben der Insolvenz im Jahr 2000 verheilen zu lassen.
Uli Rahmann, Sprecher des Wirtschaftsrates, reagierte gelassen auf die Suspendierung des Gremiums. "Wenn einer die Musik bestellt, muss er sie auch bezahlen. Ich habe kein Problem damit, wenn Norbert Wöstmann den Verein alleine führen will." Die vom Präsidenten genannte Höhe der Unterdeckung versah Rahmann mit einem Fragezeichen: ,,Das ist der worst case." Die von den Wirtschaftsräten zugesagte Summe bezifferte er mit 100.000 Euro.
Für die Dramatik von Wöstmanns Entscheidung habe kein Anlass bestanden. "Aber wenn er einen schlechten Tag hat, und gesundheitlich angeschlagen ist, ist das sein Problem." Klar sei nun allerdings, so der Geschäftsführer des seit Februar 2002 als Trikotsponsor fungierenden Herzebrocker Unternehmens "Westfalenkrone", dass dieser Vertrag nicht über den 30. Juni 2006 hinaus verlängert werde.
Für Norbert Wöstmann keine Überraschung. Der erfahrene Gütersloher hatte ohnehin gewusst: "Männerfreundschaften zerbrechen entweder an Frauengeschichten oder am Geld."