81 deutsche Großstädte und ihre Top-Vereine

  • Westfalens Großstädte: Bochum (Teil 2)
    Nach Bayern ist der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) der mitgliederstärkste Landesverband in Deutschland.
    www.fupa.net


    Tatsächlich unabhängig entstanden und kein Konkurrenzprodukt zu matz erstklassigen Ausführungen ;)

  • Danke für den Bremen-Artikel! Interessant, dass das Weserstadion ursprünglich von bzw. für einem anderen Verein als Werder Bremen errichtet wurde. Wie du in deinem Eingangsätzen bereits erwähntest, man bringt Bremen und das Weserstadion nahezu ausschließlich mit dem SV Werder in Verbindung.

    ...

    Weil sich die Bremer früh entscheiden, ihre Amateure in einer Straßenbahn-Liga mit geringer Leistungsdichte spielen

    ...

    Geringer sportlicher Wert, aber auch geringe Kosten. Schon auf den Aufstieg in die einstige Oberliga Nord wurde ja regelmäßig verzichtet (auf alle westdeutschen Nordländer bezogen). Dass 2008 durch die Einführung der 3. Liga im Gebiet des NFV die übergreifende Nord-Oberliga abgeschafft und die einzelnen Verbandsligen zu Oberligen hochgestuft wurden, war wahrscheinlich (finanziell) der bessere Weg im Vergleich z.B. zum Nordosten, wo die länderübergreifende Oberliga beibehalten wurde.

    Die Wahrnehmungsschwelle fängt ohnehin zumeist erst ab der Regionalliga an.

    ...und niemals vergessen

    EISERN UNION!

  • Soweit ich weiß hat der Bremer Meister immer an der Aufstiegsrunde zur jeweils höheren Liga teilgenommen. Allerdings setzte sich die jeweilige Mannschaft nur selten durch.

    Signaturen sind überbewertet!

  • Soweit ich weiß hat der Bremer Meister immer an der Aufstiegsrunde zur jeweils höheren Liga teilgenommen. Allerdings setzte sich die jeweilige Mannschaft nur selten durch.

    Nein. Der SC Weyhe im Jahr 2005 und der Brinkumer SV 2009 (beide zwar Niedersachsen, aber aufgrund der Lage in Bremen spielend) waren zum Beispiel Meister der Bremen-Liga die verzichteten. Zudem wurde dem Bremer SV im Jahr 2007 und dem FC Bremerhaven 2008 als jeweiliger Bremenmeister die Lizenz für die nächsthöhere Spielklasse verweigert.

    ...und niemals vergessen

    EISERN UNION!

  • Eine gemeinsame Oberliga mit Niedersachsen fand ich nicht schlecht. Aber die OL Niedersachsen ist natürlich sehr unattraktiv.

    Ist das noch Fußball?

  • Soweit ich weiß hat der Bremer Meister immer an der Aufstiegsrunde zur jeweils höheren Liga teilgenommen. Allerdings setzte sich die jeweilige Mannschaft nur selten durch.

    Nein. Der SC Weyhe im Jahr 2005 und der Brinkumer SV 2009 (beide zwar Niedersachsen, aber aufgrund der Lage in Bremen spielend) waren zum Beispiel Meister der Bremen-Liga die verzichteten. Zudem wurde dem Bremer SV im Jahr 2007 und dem FC Bremerhaven 2008 als jeweiliger Bremenmeister die Lizenz für die nächsthöhere Spielklasse verweigert.

    Richtig, aber davor haben die Bremer Meister immer teilgenommen.

    Signaturen sind überbewertet!

  • Platz 10: Essen (582.415 Einwohner)


    1. Rot-Weiss Essen (3.L/3)

    2. SpVg Schonnebeck (OL/5)

    3. ETB Schwarz-Weiß (OL/5)

    4. FC Kray (OL/5)

    5. ESC Rellinghausen 06 (LL/6)


    Wir schalten um ins Ruhrgebiet



    1955 gewinnt Rot-Weiss Essen die Deutsche Fußballmeisterschaft, nachdem man schon zuvor 1953 Pokalsieger geworden war. In den Folgejahren gewinnen der BVB 2xmal und Schalke einmal den nationalen Titel. Wenn heute vom ewigen Revier-Derby zwischen Schalke und Dortmund gesprochen wird, wird oft vergessen, dass es in den 1950er Jahren ein Zeitfenster gab, in dem es durchaus drei Rivalen auf Augenhöhe im Ruhrgebiet hätte geben können. Auch wenn natürlich Dreier-Rivalitäten im Fußball eher selten sind.


    In der Frühzeit des Essener Fußballs spielt Rot-Weiss allerdings keine Rolle. Wie in vielen Ruhrgebietsstädten existiert auch in Essen ein starkes soziales Gefälle. In diesem Fall ein Nord-Süd-Gefälle. Im reichen Süden, wo Industrielle wie Friedrich Krupp ihre Anwesen haben, beginnt die Geschichte des Essener Fußballs in bürgerlichen Kreisen.


    1899 gründet sich der erste Verein: Der Essener Sportverein 1899 aus Huttrop, der im Inneren der Radrennbahn an der Hubertusburg spielt (1974 Fusion mit BTLV Rheinland 06 zur Essener Sport-Gemeinschaft 99/06, heute Kreisliga A). Ein Jahr später bildet der Essener Turnerbund Schwarz-Weiß eine eigene Fußballabteilung. Der ETB war 1881 im Streit um die Aufnahme jüdischer Mitglieder aus dem Essener Turnverein von 1859 abgespalten worden.


    Der ESV 99 landet schon früh einen Erfolg mit der Westdeutschen Vizemeisterschaft 1903. Der Erfolg lässt sich aber nicht wiederholen, weil es für beide Essener Vereine in der Folgezeit kein Vorbeikommen am Duisburger Spielverein gibt. Später dreht sich das Blatt in Essen zugunsten des ETB, als dieser sich 1910 für die neue Zehnerliga qualifiziert. Bis zum 1. Weltkrieg taucht zu den beiden Pioniervereinen auch nur noch die Spielabteilung des Turnklub Essen erstklassig auf, nachdem 1906 die Fußballer des Sportklub Britannia dem Turnklub beigetreten waren (1923 Austritt als Essener Ballspielklub 05, im 2.Weltkrieg aufgelöst).


    Ganz anders stellt sich die Landkarte des Essener Fußballs nach dem 1. Weltkrieg dar. Jetzt wird auch im proletarischen Norden fleißig gekickt. Die neue Konkurrenz für den so genannten Lackschuhverein ETB kommt aus Altenessen in Form des Essener Sportclub Preußen (aktuell Meister der Kreisliga A) und des BV Altenessen 06. Sie treten 1919 mit dem ETB und dem ESV 99 gemeinsam im neuen Ruhr-Emscher-Kreis an. Statt mit den Duisburger Clubs misst man sich jetzt mit den Vereinen aus Gelsenkirchen. Der ESC Preußen 02 startet zunächst als SC Starke Eiche, bevor er 1903 seinen heutigen Namen annimmt. Der BV Altenessen 06 (heute Kreisliga B) wird von Schülern einer Straßenfußballermannschaft namens Regalia 1906 gegründet. Trotz der Konkurrenz aus dem Norden bleibt der ETB zunächst die Nummer Eins in Essen, kann aber auf westdeutscher Ebene weiter keine Erfolge feiern.


    Schon in der Frühzeit beklagen die Essener Sportler allerdings ein Desinteresse der Stadt am Sport im Gegensatz zur Situation etwa in Duisburg oder Dortmund. Der Essener Sport hinke hinterher, heißt es. In Essen mangelt es in jener Zeit vor allem an geeigneten Sportplätzen. Da ist es für den ETB ein großer Vorteil, dass er in Eigenleistung 1922 den Uhlenkrug errichtet. Es ist das erste echte Stadion in Essen mit Rasenplatz, Laufbahn, Tennis- und Hockeyanlagen und Platz für bis zu 45.000 Besucher.


    Nun sehen etwa im März 1923 20.000 Zuschauer den 5-2 Sieg des ETB über Preußen 02 und eine weitere Ruhrgau-Meisterschaft der Schwarz-Weißen, die sich im Rahmen der Scheidung von Turnern und Fußballern vorübergehend selbständig machen und das ETB streichen. Der Stadionbau des ETB ist umso bemerkenswerter, weil die Essener Presse noch 1927 tobt, dass die Stadt unfähig und unwillig sei, ein kommunales Stadion zu bauen, wo doch Bottrop, Buer, Duisburg oder Elberfeld schon weiter sein. Essen bleibt so die einzige Großstadt im Deutschen Reich, die in den 20er Jahren kein kommunales Stadion baut. Das geplante Großstadion in Rüttenscheid etwa wird nie verwirklicht. Das von der Krupp-Stiftung bereitgestellte Geld frisst stattdessen die Inflation auf. 1928 verfügt Essen über 17 Sportplätze und 14 behelfsmäßige Anlagen, zum Vergleich Düsseldorf über 49/2 und Duisburg über 52/7. Die Essener Sportler sind zum Teil so erzürnt, dass sie 1924 eine eigene Partei für Leibesübungen gründen, die in den Stadtrat einzieht, berichtet der Sportbund der Stadt in seiner Historie.


    Auch in den Folgejahren beherrscht Schwarz-Weiß die Essener Konkurrenz und die Vereine aus Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund im Ruhrgau. 1925 nimmt man als westdeutscher Vizemeister an der Deutschen Meisterschaft teil. Die Lage ändert sich 1926. 30.000 drängen sich in der Essener Radrennbahn zum Entscheidungsspiel der punktgleichen Rivalen BV 06 und Schwarz-Weiß. Erstmals behält der Verein aus dem Norden die Oberhand. Ein begeisterter 06-Fan erklimmt gar einen Fahnenmast und hängt die ETB-Fahne auf Halbmast. Auch ein Ausdruck der Rivalitäten zwischen dem Essener Norden und Süden. Als westdeutscher Vizemeister fährt der BV anschließend zur Deutschen Meisterschaft, scheitert aber wie Schwarz-Weiß im Vorjahr am FSV Frankfurt. Im Folgejahr wiederholt der BV den Coup, aber fortan steht im Ruhrgau Schalke 04 den Essener Vereinen, zu denen mittlerweile auch die Sportfreunde 07 aus Rüttenscheid (Fusion mit VfL Essen 1910, heute VfL Sportfreunde 07, Kreisliga A) gehören, im Weg. 1928, 1929, 1930 scheitert Schwarz-Weiß ebenfalls an den Knappen. Bis zur Einführung der Gauligen blieben die Essener Vereine nun erfolglos.


    Dafür gibt es andere Erfolge in der Ruhr-Metropole. 1927 baut der Essener Turn- und Fechtklub ETUF die erste Tennishalle in Westdeutschland. ETUF-Spielerin Hilde Krahwinkel erreicht zweimal das Wimbledon-Finale und gewinnt 1933 mit Gottfried von Cramm das Mixed in London. Zwischen 1930 und 1933 wird der Baldeneysee errichtet. Nun floriert auch der Ruder- und Segelsport in Essen. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach segelt im Team 1936 zur olympischen Bronze. Und die Stadt wächst: 1929 wird Essen zur drittgrößten Stadt in Preußen durch die Eingemeindung von u.a. Karnap, Kray, Schonnebeck, Kuperdreh, Heisingen und Werden.


    Bei der Einführung der Gauligen 1933 werden die Essener Vereine von den westfälischen Nachbarn getrennt. Jetzt tritt man wieder am Niederrhein an. Schwarz-Weiß Essen wird eingegliedert, ebenso die unglückliche Fusion zwischen Preußen 02 und BV 06, die nach dem sofortigen Abstieg wieder aufgelöst wird (der BV gibt 1937 noch mal ein kurzes Intermezzo in der Gauliga). Schwarz-Weiß kommt gegen die Düsseldorfer und Duisburger Konkurrenz nicht zum Zug. Erst 1938 und 1939 wird ETB (1937 hatten sich die selbständigen Einzel-Abteilungen des ETB wieder zusammengeschlossen) Vizemeister, doch der Zeitenwechsel erscheint schon am Horizont. 1938 steigt Rot-Weiss Essen in die Gauliga auf. Der Verein mit dem prägnanten Rechtschreibfehler im Namen ist zwar schon 1930-32 erstklassig gewesen, aber erst jetzt wird er zum Herausforderer für ETB.


    Gegründet wird RWE als Sportverein Vogelheim 1907. Der Legende nach bekommt ein gewisser Georg Melches zuvor von seinem Vater einen Ball als Weihnachtsgeschenk. Kurze später schließen sich die Vogelheimer dem Turnerbund im benachbarten Bergeborbeck an. 1913 wird der Verein wieder selbständig, diesmal als Spiel und Sportverein Emscher-Vogelheim und später SuS Emscher 12. Entscheidend ist aber die endgültige Fusion mit dem Turnerbund Bergeborbeck 1923. Seither spielen die Bergeborbecker unter dem heute bekannten Namen. An der Grenze zu Bottrop und an der Emscher gelegen, ist man vom reichen Essener Süden an der Ruhr Welten entfernt.


    Schon im Aufstiegsjahr werden die Rot-Weissen Dritter. Passend dazu wird das Stadion Rot-Weiss, später Stadion an der Hafenstrasse 1939 umfangreich erweitert. 1941 zieht RWE am ETB vorbei. Nummer Eins ist man aber dennoch nicht, weil aus dem Nichts ein anderer Essener Verein aufgetaucht ist: TuS Helene 1928 Altenessen Der Verein wird als Werksverein der Schachtanlage Helene gegründet und schließt sich später mit den Zechenvereinen Sälzer-Amalie und TuS Amalie zusammen. Der Heimatverein von Otto Rehagel profitiert von der kriegswichtigen Bedeutung der Zechen. 1941 wird Helene Niederrheinmeister und nimmt an der Deutschen Meisterschaft teil. 1943 wird der Verein noch einmal Vizemeister, während ETB im selben Jahr erstmals in seiner Geschichte absteigt. Die Helenen spielen im Helene-Stadion, das von der Bergwerksgesellschaft 1928 für immerhin 25.000 Zuschauer errichtet wird. Weil an der Zeche im zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, greifen die Alliierten nach dem Krieg gegen den Verein durch. Helene muss drei Jahre als VfR Essen antreten, bevor der Verein den heutigen Namen TuS Helene 1928 Essen annimmt. 1966 schließt die Zeche. Am Niedergang können auch die drei Jahre Verbandsliga 1983 bis 1986 nichts ändern (heute Kreisliga B).


    Zu Beginn der neuen Oberliga West nach dem Krieg tut sich Seltsames in Essen. Nicht RWE, ETB oder Helene vertreten die Essener Farben in der Eliteliga, sondern die Sportfreunde Katernberg. In den Zechensiedlungen an der Grenze zu Gelsenkirchen werden die Sportfreunde 1913 als Fußballabteilung des Turnvereins Katernberg 1887 gegründet, danach sind die Fußballer ab 1924 eigenständig und hören nach der Fusion mit dem Ballverein Katernberg 1916 auf den Namen Sportfreunde Katernberg.


    Im letzten Kriegsjahr taucht die Mannschaft vom Lindenbruch zwar schon in der Gauliga auf, aber die Qualifikation in der Ruhrbezirksmeisterrschaft 1947 ermöglicht den Start in der Oberliga, die man auch noch gleich als Vizemeister hinter dem BVB abschließt.

    Im Folgejahr steigt RWE auf und Katernberg ab. Das erste Jahr in der Oberliga trägt aber zur Legendenbildung bei, auch weil man den Spielen mitten im Arbeiterviertel von Wohnungen und Bahndämmen auch als nicht zahlender Zuschauer beiwohnen kann. 1950 unternimmt Katernberg einen zweiten Anlauf, u.a. mit Helmut Rahn, der aber gleich von RWE weggekauft wird. Vom Geld, sagt die Legende, wird der Sichtschutz rund ums Stadion bezahlt.


    Immerhin können sich die Arbeiterkicker aus dem Essener Norden noch bis 1953 in der Oberliga halten. Nur 1989-91 taucht Katernberg noch einmal in der Oberliga auf, muss dafür aber zum Sportplatz am Hallo umziehen und verhebt sich gehörig. 2017 kommt das Aus. Die Sportfreunde lösen sich auf, die Mitglieder treten der DJK Katernberg bei, die sich fortan DJK Sportfreunde nennen, Diese spielen heute in der Bezirksliga.


    1951 ist auch ETB endlich wieder Erstligist. In der Saison 51/52 steht aber Essen ganz im Zeichen der Westmeisterschaft von RWE. In der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft scheitern die Essener am VfB Stuttgart. Trotzdem hat die Glanzzeit der Rot-Weissen begonnen. Vereinsmitgründer Georg Melches, dessen Vater schon Betriebsführer bei der Zeche Emil-Emscher war und den fußballernden Sohn unterstützte, ist nun längst selbst Industrieboss bei der Koksofen und Gasverwertungs-AG, später Didier-Kogag-Hinselmann AG. Das Unternehmen baut weltweit Kokereien und die nationalen und internationalen Kontakte nutzt die graue Eminenz des Vereins, um eine schlagkräftige Mannschaft zusammenzustellen. Ebenso ist RWE für seine internationalen Freundschaftsspiele und Reisen berühmt. Mit dem 4-3 über den 1.FC Kaiserslautern ist 1955 mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft der Höhepunkt erreicht. Danach fällt RWE ins Mittelmaß, nicht ganz zufällig setzt der Niedergang auch mit dem Ruhestand und Tod (1963) des heimlichen Patrons Georg Melches ein.


    ETB steigt bereits 1957 aus der Oberliga ab, 1959 aber wieder auf und der als ewiger Zweiter verspottete Club siegt im selben Jahr dann auch einmal und zwar im DFB-Pokal. 1961 erwischt es RWE mit dem Abstieg und so ist in den letzten beiden Spielzeiten der Oberliga ETB noch mal Nummer Eins in Essen. Für die neue Bundesliga kommen aber beide Clubs nicht in Frage. ETB hatte sich zuvor ohnehin gegen die neue Profiliga ausgesprochen.


    1966 wetzt RWE die Scharte aus und steigt in die Bundesliga auf. Was folgt, ist aber nicht die Etablierung im deutschen Spitzenfußball, sondern eine der schillerndsten Achterbahnfahrten mit Auf- und Abstiegen und Lizenzentzügen. Schon nach einem Bundesligajahr geht es wieder runter. 1969 kehrt RWE ins Oberhaus zurück. 1971 muss der Verein wieder in die Regionalliga – auf unrühmliche Weise. Denn im großen Bundesliga-Skandal bewahrt sich Rot-Weiss eine weiße Weste und muss zusehen, wie die schummelnde Konkurrenz vorbeizieht. Die Hoffnung, der DFB belohne die Essener Ehrlichkeit mit einem nachtäglichen Klassenerhalt, erfüllt sich nicht.


    1973 unternehmen die Essener den nächsten Anlauf. Diesmal wird vier Jahre an der Hafenstrasse Bundesliga-Fußball geboten. Dann verschwindet RWE von der großen Bühne. 1984 muss RWE auch noch das Unterhaus verlassen – ausgerechnet beim Erzrivalen Schalke. Zwei Jahre heißt der Gegner in der Oberliga Nordrhein jetzt wieder ETB, im ersten Jahr sogar mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel. Sportlich feiern in der Stadt, die mit der Grugahalle endlich auch über eine internationale Sportstätte verfügt, nur die Handballer des Turn- und Sportverein Essen-Margarethenhöhe 1926 mit drei deutschen Meisterschafen Erfolge.


    Mittlerweile gesellen sich bei RWE hingegen zu den sportlichen Pleiten auch wirtschaftliche. Die Jahre in der 2. Bundesliga enden 1991 mit dem ersten Lizenzentzug. 1993 erfolgt der nächste Anlauf im Profigeschäft. RWE erreicht sogar das Pokalfinale, aber der DFB sieht sich bei der Lizenzierung getäuscht und entzieht den Essenern erneut die Lizenz. 1997 steigen die Essener nach einem Jahr zur Abwechslung mal sportlich aus der 2. Bundesliga ab. Und diesmal geht es gleich im Anschluss in die mittlerweile viertklassige Oberliga. Wieder heißt es Derby gegen den mittlerweile ewigen Oberligisten ETB. 11.000 sehen das Spiel der alten Rivalen. Die Gastspiele im Profifußball werden hingegen immer rarer (2004/05, 2006/07). Die nächste Hiobsbotschaft ist eine Insolvenz 2010. RWE wird in die Fünftklassigkeit versetzt. Immerhin gelingt der sofortige Wiederaufstieg und es folgen zwölf lange Jahre in der Regionalliga. In dieser Zeit nimmt der Verein auch Abschied vom Georg-Melches-Stadion. Im neuen Stadion gelingt 2022 dann endlich die Rückkehr auf die bundesweite Ebene.


    Im Schatten der RWE-Kapriolen verfolgt ETB hingegen ein genügsames Leben als ewiger Oberligist, der mit jeder Ligenreform tiefer sinkt. Hatte man die Bundesliga 1963 noch abgelehnt, steht man 1967 sogar in der Aufstiegsrunde und unterliegt ausgerechnet Borussia Neunkirchen, die man einst im Pokalfinale vorgeführt hatte. Auch in der 2. Bundesliga kommt man nicht in die Verlegenheit eines Aufstiegs und verlässt 1978 endgültig den Profifußball. Schon 1973 musste zuvor der Uhlenkrug an die Stadt verkauft werden. In der Oberliga richtet man sich im Essener Süden gemütlich ein und muss 2012 sogar mit ansehen, wie mit dem FC Kray ein städtischer Rivale im Zuge einer Ligenreform die Oberliga überspringt und neue Nummer Zwei wird. (Fußballclub Kray 1909/31, 1987 Fusion DJK SV Kray 09 und VfL Kray 1931). Drei Spielzeiten trifft Kray in der Regionalliga auf den RWE. 2015 überholt auch noch die Spielvereinigung Schonnebeck 1910 den Turnerbund. (1910 als Spiel und Sport Schonnebeck gegründet, Fusion mit BV Schonnebeck, ab 1920 unter heutigem Namen) 2017 ist Schonnebeck erstmals Nummer Zwei in Essen und ist dies auch aktuell.


    Wunsch: ETB Schwarz-Weiß steigt in die Regionalliga auf.

    Ist das noch Fußball?

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  • Stadtteilvereine als #2 oder #3 in einer Stadt ist völlig in Ordnung.

    die #1 soll der echte oder einer der echten Stadtvereine sein und natürlich ein echter Traditionsverein.

    BV 06 Altenessen ist ja immerhin ein echter Traditionsverein.

    #22/5 5 Regional-Verbände = 5 Regional-Ligen = 5 Regional-Meister = 5 Aufsteiger

    Einmal editiert, zuletzt von Wacker_Wiggerl ()

  • Gibt es wirklich den "Stadtverein" in einer Stadt? Irgendwie sind dann doch alle in irgendeinem Stadtteil groß geworden. Aber auch hier wieder toll zu sehen das immer da wo die Zechen (Geldgeber) waren, sind die Vereine hoch gekommen. Ist also kein Phänomen der Neuzeit. :ja1:

  • Wunsch: BV Altenessen kommt wieder hoch in die Oberliga

    Das ist aber ein frommer Wunsch. Ich war letztens noch dort und das sah alles nicht so aus als hätte man irgendwelche Ambitionen außer "Fußball spielen". Das meine ich gar nicht despektierlich, aber höherklassig wird man den Verein in den nächsten Jahren nicht antreffen.

  • TuS Helene Essen, schon Schade, dass der Verein in die Niederungen der B-Klasse abgestürzt ist. Es war der dritte Essener Verein nach RWE und ETB, der mir als Kind geläufig wurde - in den Trainerprofilen des Kicker-Sonderheftes wurde er stets als Stammverein von Otto Rehagel erwähnt - und klar, "Helene" als Vereinsname prägt sich ein :)


    Eine andere tragische Geschichte ist für mich der Untergang der Sportfreunde Katernberg. In der Doku "Im Westen ging die Sonne auf" (2002) haben ja auch die Sportfreunde ihren Auftritt. Da kommt auch der nette Spruch her, "Datt hier is nich Farbfernsehen, datt is eben Katernberg".

    „Meine Herren! Wie ich soeben höre, hat der Zug zwölf Minuten Verspätung!
    Zwölf kostbare Minuten! Ich bin sehr gespannt, was Sie nun mit diesem Geschenk anfangen!“

  • Danke für die wieder mal sehr guten Infos!

    Zum Thema "Stadtverein": z.B. in Fürth war die SpVgg von Anfang kein "Stadtteilverein", der irgendwann die anderen überflügelte, sondern der erste Fußballverein undwurde vornherein als Verein "der ganzen Stadt" gesehen. Auch die Konkurrenz, die später entstand, kam aus "Milieus" (Arbeitersport, Post, Eisenbahn, DJK), während die Stadtteil bzw. Vorortvereine erst später kamen. Stadtteilvereine in Konkurrenz gabs hingegen z.B. in Berlin, Hamburg, Duisburg, Stuttgart...

    Katernberg: Da gibts ein wenig Information in verschiedenen Büchern usw. Die hatten in der ersten Nachkriegszeit als von der Zeche unterstützter Bergarbeiterverein gewisse Startvorteile. Dann kam nach einer sehr erfolgreichen Oberligasaison in der folgenden Saison der krasse Absturz, der nach einem kurzem Comeback den Weg nach unten brachte. Der Hintergrund war wohl, die Vereinsleitung und der Verein waren mehr oder minder links angehaucht und gerieten in Clinch mit der "kapitalistischen" Zechenleitung. Die war dann "not amused" und strich das Geld.

    Die Hand die einen füttert, beisst man nicht....

  • Die große Zeit der Zechenvereine waren die 30er und 50er Jahre und das waren schlicht die großen Zeiten des Bergbaus. Mitte der 60er Jahre begann das Zechensterben und damit auch der Niedergang der Vereine. Es ist eine wirtschaftliche Parallelität. Und so sehr der Mythos auch um diese Vereine weht, für den Profifußball etwa waren sie nicht gemacht. Dazu war die Förderung auch nicht ausreichend. Die typischen Zechenvereine wie Sodingen oder Horst-Emscher haben ja nie über einen längeren Zeitraum oben mitgespielt. Meist habe die großen Vereine ihnen dann auch die Spieler weggekauft.

    Ist das noch Fußball?

  • Die Diskussion um Stadtteilvereine finde ich müßig. Schalke ist auch ein Stadtteilverein, wer würde den Club heute noch so bezeichnen? Ob ein Verein ein Stadtverein wurde, hing doch vom Erfolg und meist auch vom Stadion ab. Der Meidericher SV wurde Stadtverein, als er ins Wedaustadion zog. Gegenbeispiel: Der Bremer SV zog vom Stadtteil in Innenstadtnähe und hatte plötzlich die Bremer Kaufmannschaft hinter sich. Dann wurden sie von den Nazis wieder in den Stadtteil vertrieben. Wäre der Bremer SV statt Werder ins Weserstadion gezogen, sähe die Situation heute vielleicht anders aus. Die Stadthistorie ist doch meist zu komplex, um eine Schwarz-weiß-Einteilung vorzunehmen.


    Interessanter finde ich, dass die Themen, die hier heute heiß umstritten sind, wie etwa die Frage, ob eine Stadt für die Infrastruktur zu sorgen hat, vor 100 Jahren schon die gleichen waren. Hätte Essen in den 20er Jahren ein modernes Großstadion gebaut, hätte sich RWE vielleicht ganz anders entwickelt als an der doch sehr provisorischen Hafenstraße.

    Ist das noch Fußball?

  • Die Diskussion um Stadtteilvereine finde ich müßig. Schalke ist auch ein Stadtteilverein, wer würde den Club heute noch so bezeichnen? Ob ein Verein ein Stadtverein wurde, hing doch vom Erfolg und meist auch vom Stadion ab. Der Meidericher SV wurde Stadtverein, als er ins Wedaustadion zog. Gegenbeispiel: Der Bremer SV zog vom Stadtteil in Innenstadtnähe und hatte plötzlich die Bremer Kaufmannschaft hinter sich. Dann wurden sie von den Nazis wieder in den Stadtteil vertrieben. Wäre der Bremer SV statt Werder ins Weserstadion gezogen, sähe die Situation heute vielleicht anders aus. Die Stadthistorie ist doch meist zu komplex, um eine Schwarz-weiß-Einteilung vorzunehmen.

    Das siehst du alles viel zu simpel, da wird dir der Stadtreform-Hansi vom blauen Stern aus München genau erklären warum es relevant ist, dass ein Verein vor 100 Jahren in der Gauliga Schimmelkiste-Südost viel relevanter als Stadtverein ist als ein Verein, der einstmals am Arsch vom Eimer angefangen hat, der seit 50 Jahren aber die Massen aus dem ganzen Stadtgebiet anzieht. :ablachen:


    Zu Essen: Kettwig wurde 1975 dem Essener Stadtgebiet zugeschlagen. Ich weiß, dass der FSV Kettwig nicht gerade auf eine schillernde höherklassige Vergangenheit zurückschaut und man glaub ich auch nicht mehr beim "Ursprungsverein" ist, sondern es finanziell bedingt Neugründungen gab.

    Hast du vielleicht Informationen zum Kettwiger Fussball? Die Historie geht ja hier verloren wo doch nachträglich die freie Stadt aufgelöst wurde. :denken: